Danke für den Link. Mir scheint, dass der Verfasser des Beitrags myRight und seine Kunden als Opfer der Rechtsprechung sieht. Das sehe ich hingegen ganz anders. Diejenigen, die schon länger Forumsmitglieder sind, wissen, dass ich stets vor myRight gewarnt und empfohlen habe, nicht seine möglichen Ansprüche an diesen "Verein" abzutreten, sondern im Zweifel eher der Musterfeststellungsklage beizutreten oder selbst seine Rechte geltend zu machen. Wenn der Geschäftsführer von myRight jetzt angibt, aus heutiger Sicht hätte man das alles nicht mehr gemacht, aus der Sicht von damals würde man es aber wieder machen, zeigt das, dass er eigentlich nichts verstanden hat. Der Plan von myRight konnte auch aus damaliger Sicht nicht aufgehen, weder für myRight, noch erst recht nicht für die Verbraucher, die sich myRight angeschlossen haben.
Im deutschen Recht gibt es anders als in den USA nicht die Möglichkeit einer Sammelklage, von der myRight aber immer hochtrabend gesprochen hat. Möglich sind nur sog. verbundene Einzelklagen. Wenn man die Rückzahlung des Kaufpreises begehrt, ist das aber extrem arbeitsaufwendig, weil die Klagen in hohem Maße individualisiert sein müssen. Bei rund 33.000 Abtretungen ist das praktisch nicht zu schultern. Hinzu kommt, dass die Streitwerte bei diesem Verfahren sehr hoch sind, die mögliche Entschädigung der Kläger in Form der Kaufpreisrückzahlung aber um den Wert des zurückzugebenden Fahrzeugs gemindert wird. Hinzu kommt, dass aufgrund der anzurechnenden Nutzung der zu erstattende Kaufpreis mit zunehmender Nutzungsdauer immer niedriger wird, was bei einer langen Verfahrensdauer dann dazu führen kann, dass unter dem Strich für den Verbraucher sogar ein Minus bei herauskommt. Die Behauptung von myRight, man trage kein Kostenrisko, ist zwar hinsichtlich der reinen Verfahrenskosten richtig, nicht bezüglich der Gesamtbilanz, die aufgrund der Rückgabepflicht des Fahrzeugs durchaus mit einem Minus enden kann. Weil auch für myRight ein hohes Kostenrisko bestand, hat man auch gar keine Einzelklagen auf Erstattung des Kaufpreises eingereicht, sondern ein Verfahren quasi als Musterverfahren durchgeführt, was aber viel Zeit gekostet hat, Zeit, die die 33.000 anderen Verbraucher aber nicht hatten, da ihre Ansprüche mit jedem gefahrenen Km weniger geworden sind. Man hatte sich bei myRight wohl erhofft, nach gewonnenem "Musterfahren" mit VW einen Vergleich schließen zu können, doch VW wäre total blöd gewesen, wenn man sich darauf eingelassen hätte.
Was man dann für einige Verbraucher gemacht hat, sind Klagen auf pauschalierten Schadensersatz ohne Rückgabe des Fahrzeugs. Da erkennt die Rechtsprechung aber lediglich 10 bis max. 15 % des Kaufpreises an, was für betroffenen Verbraucher sehr unbefriedigend ist, wenn man davon noch 35 % an myRight abgeben muss. Letztlich war das ganze System von vornherein zum Scheitern verurteilt. Das einzige, was die von myRight gebeutelten Verbraucher jetzt noch tun könnten, wäre prüfen zu lassen, ob man eventuell gegen myRight selbst Schadensersatzansprüche geltend machen kann, denn immerhin wurde diese Verbraucher mit dem Lockmittel einer risikofreien Sammelklage getäuscht, die aber gar nicht zulässig war.
Um nicht falsch verstanden zu werden, das System der Prozessfinanzierer kann durchaus funktionieren und ist eine gute Lösung für diejenigen, die kein Prozesskostenrisiko tragen wollen. So haben z.B. Verbraucher, die bei den zahlreichen im Fernsehen beworbenen, meist in Malta sitzenden Glückspielcasinos viel Geld verloren haben, über diesen Weg gute Chancen, einen Teil des Geldes zurück zu bekommen, im Abgasskandal funktioniert das jedoch nicht, weil sich kaum ein konkreter Schaden berechnen lässt.
Heute hat das OLG Stuttgart über eine Musterfeststellungsklage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv) gegen die Mercedes Benz Group AG entschieden und dabei den "Musterklägern" das Recht auf Schadensersatz zugebilligt, wobei man hinsichtlich der Art des Schadensersatzes allerdings zwischen den nach Euro 5 und den nach Euro 6 klassifizierten Fahrzeugen unterschieden hat. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die nachfolgend verlinkte Pressemitteilung des OLG Stuttgart.
Der "Sieg" des vzbv hat m.E. einen zweifelhaften Wert und ist daher eher als ein Pyrrhussieg anzusehen. Anders als im Musterfeststellungsverfahren gegen VW hat man sich nämlich nicht auf einen Vergleich geeinigt, der den Musterklägern hätte sofort eine Entschädigung bringen können, sondern es ist zu einem Urteil gekommen, das allerdings wegen der Möglichkeit der von Mercedes bereits angekündigten Revision nicht rechtskräftig wird. Es wird also vermutlich mindestens weitere zwei Jahre dauern, bis es zu einen endgültigen Entscheidung kommt. Diese Entscheidung begründet dann aber auch noch keinen unmittelbaren Schadensersatz, sondern nur das Recht Schadensersatz geltend zu machen. Dieses Recht muss der betroffenen Fahrzeughalter ggf. einklagen, wodurch weitere Zeit ins Land geht.
Soweit das Gericht einen bedingten Vorsatz der Mitarbeiter von Mercedes bejaht hat (Euro-6-Fahrzeuge), bedeutet das die Geltendmachung des sog. großen Schadensersatzes, der darin besteht, dass man den Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeugs und abzüglich eines Nutzungsausgleichs erstattet bekommt. Doch wird dieser Anspruch mit zunehmender Km-Leistung wegen des Nutzungsausgleichs immer weniger wert und kann ab einer bestimmten Km-Leistung sogar zu einem Minus führen, weil der zu erstattende Kaufpreis am Ende niedriger ist als der Restwert des Fahrzeugs. Das wird Mercedes ausnutzen und einer Erstattung des Kaufpreises im Zweifel nicht zustimmen, ganz davon abgesehen, dass bis zu einer Entscheidung des BGH vermutlich in den meisten Fällen ohnehin schon die Grenze überschritten sein dürfte, bis zu der sich der große Schadensersatz lohnt. Bleibt dann nur der sog. kleine Schadensersatz in Form einer pauschalen Entschädigung in Geld ohne Rückgabe des Fahrzeugs. Hierfür hat der BGH die Obergrenze bereits bei 15 % des Kaufpreises angesetzt, wobei diese 15 % wohl nur in den seltensten fällen zuerkannt werden dürften. Erst vor wenigen Wochen hat das OLG Koblenz in einem vergleichbaren Fall Mercedes zu Schadensersatz gerade einmal in Höhe von 5 % verurteilt. Die bis dahin entstandenen und vom Kläger zu tragenden Verfahrenskosten betrugen ein Mehrfaches davon. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, läuft Gefahr, dass ein solches Verfahren unter dem Strich zu einer recht teuren Angelegenheit wird. Allerdings sind auch 5 %, wenn man eine Klage darauf beschränkt und so das Kostenrisiko minimiert, immer noch besser als nichts, auch wenn diese Entschädigung dann praktisch erst mit ca. 10 Jahren Verspätung kommt. Die Teilnehmer an dem Musterfeststellungsverfahren gegen VW hatte es da viel besser.
Die leichte Delle bei der E-Auto-Nachfrage in mehreren Ländern, in denen gerade die Förderung gekürzt wurde, etwa Deutschland und Italien, wird von den Fans des Verbrenners und denen fossiler Brennstoffe hierzulande gerade fröhlich als Menetekel für das E-Auto gedeutet. Das ist ein epochaler Selbstbetrug.
Da hat Herr Wissing mal wieder seine unbegründeten Sorgen ausposaunt.
So völlig unbegründet sind diese Sorgen nicht. Der EuGH hat bereits vor ein paar Jahren entschieden, dass die Grenzwerte nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch auf der Straße einzuhalten sind. Sollte er auf den Vorlagebeschluss des LG Duisburg seine Ansicht bestätigen, womit zu rechnen ist, würde das bedeuten, dass nicht nur die meisten Euro-5-Diesel, sondern auch viele Euro-6-Diesel nicht rechtskonform sind. Das hätte zwar für den Verbraucher zunächst noch keine unmittelbaren Auswirkungen und es dürfte auch eher unwahrscheinlich sein, dass das KBA deshalb Typgenehmigungen zurücknimmt, die Gefahr kommt jedoch aus einer anderen Ecke, nämlich der DUH. Sollte diese, was sie ja schon einmal erfolgreich praktiziert hat, gegen das KBA klagen, könnten, was ebenfalls alles andere als unwahrscheinlich ist, die Gerichte die Typgenehmigung zu Fall bringen und dann würden die Fahrzeuge ihre Berechtigung zum Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr verlieren. Sorgen muss man sich deshalb aber dennoch (noch) nicht machen, da viele Jahre vergehen werden, bis es zu einer rechtskräftigen Entscheidung kommt. Insoweit stimmt es schon, dass Herr Wissing mal wieder Panik schürt.
Immer wieder bin ich als Techniker erstaunt, welche rechtliche Tiefe dieses Thema erschaffen hat. Andreas, vielen Dank für Deine unermüdliche Einordnung in diesem Dickicht!
Es müssen nach all der Zeit in einem solchen Beitrag wieder einfache Zusammenhänge und Hintergründe erklärt werden, soviel Gras ist über die Sache gewachsen.
Juristische Würdigung und Rechtspflege könnten aus meiner Sicht deutlich besser ausfallen. Was sollen den zukünftige Manager in ihrem Tun berücksichtigen?
Juristische Würdigung und Rechtspflege könnten aus meiner Sicht deutlich besser ausfallen. Was sollen den zukünftige Manager in ihrem Tun berücksichtigen?
Na ja, die abschließende juristische Würdigung muss ja das Gericht vornehmen. Das wird noch dauern, der Prozess beginnt ja gerade erst. Und die Würdigungen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung sind verständlicherweise gegensätzlich. Im übrigen geht es bei den drei Anklagepunkten, die zu einem Verfahren verbunden wurden, auch nicht um den europäischen Abgasskandal, sondern um die Manipulationen in den USA und die Frage, was Herr W. davon wusste und seit wann er Kenntnis davon hatte. Für die Manipulationen in Europa wird es schwierig, jemanden strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, weil das nicht nur die Kenntnis hiervon voraussetzt, sondern auch das Bewusstsein, überhaupt etwas gesetzwidriges zu tun und dass das Fehlen dieses Bewusstseins vermeidbar war. Wenn aber selbst die Gerichte diese Frage nicht einheitlich beantworten konnten und erst der EuGH eine abschließende Klärung herbeiführen musste, kann man den Verantwortlichen in der Automobilindustrie kaum vorwerfen, die Rechtslage falsch bewertet zu haben.
..., kann man den Verantwortlichen in der Automobilindustrie kaum vorwerfen...
Moin Floflo,
Du hast natürlich recht, in Deutschland sind die Spielräume für die Entscheider über die angebotenen Produkte weiter gefasst. Als Produktgestalter sehe ich das für mich komfortabel, aber als Verbraucher sicherlich nicht. Ich ziele hier vor allem auf den Zeitverzug ab, der erklärungsbedürftig ist. Jedoch für diese folgenschwere Thematik hätte ich mir eine zeitnahe Verhandlung innerhalb eines halben Jahres gewünscht, auch wenn es vordergründlich nur um den amerikanischen Markt geht. Einen Einfluß auf weitere Rechtsprechungen zu dem Thema wären denkbar gewesen. Nun gab es aber auch schon vorher Urteile mit anderen Akteuren zum Dieselskandal und damit bin ich einigermaßen versöhnt.
Und sollte ich einmal Dreck am Stecken haben, mache ich mir einfach eine neue Hüfte. (entschuldigt bitte, der Beitrag war nicht nett...)
Beste Grüße von der Förde
Fördegleiter
damit mir hier keiner die die Aufrichtigkeit des Herrn W. in Frage stellt. So eine honorige Person macht niemals krumme Dinge.
Für so was hat man doch Personal!
Dabei dürfte die Schuldfrage schon längst geklärt sein: Der Pförtner wars!
Mir kommt jedes Mal das große Kotzen, wenn sich die eigentlich Verantwortlichen aus der Affäre ziehen, um es an Untergeordnete abzuwälzen oder es jahrelang auf die lange juristische Bank schieben.
Als verantwortlicher Ingenieur hätte ich mich damals mit Schreiben an meine Vorgesetzten, in denen auf die Illegalität des Tuns hingewiesen wird, abgesichert. Und diese wiederum hätten dann ebenfalls diese Bedenken weitergereicht.
Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass in der obersten VW-Etage die Abgasproblematik nicht bekannt war.
Oder habe ich einfach nur das mit der Verantwortung übernehmen falsch verstanden?
... Dabei dürfte die Schuldfrage schon längst geklärt sein: Der Pförtner wars!...
Dieser Schuldzuweisung muss ich auf das Schärfste widersprechen. Die durch mich eingeleiteten Ermittlungen, auch mit Beauftragung von Miss Marple, konnten zweifelsfrei klären dass der Pförtner nichts mit der Softwaremanipulation zu tun hatte. Er hatte lediglich seine Frau gebeten ein weißes Tuch an den Auspuff zu halten.
Hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft erhobenen "Bandenvorwürfe" gegen Herrn Winterkorn habe ich so meine Zweifel. Möchte hierzu allerdings mangels Kenntnis der Fakten auch keine Meinung äußern. Dagegen sehe ich die nunmehr erfolgte gerichtliche Aufklärung mit Interesse und bin mal auf das Ergebnis gespannt.
Die durch mich eingeleiteten Ermittlungen, auch mit Beauftragung von Miss Marple, konnten zweifelsfrei klären dass der Pförtner nichts mit der Softwaremanipulation zu tun hatte
Das stimmt so nicht ganz. Der Pförtner war zwar an der Manipulation nicht beteiligt, er war aber die eigentliche Ursache für die Manipulation. Kurz vor seinem Ruhestand hatte er nämlich 50jähriges Dienstjubiläum und bekam hierzu von VW einen Tiguan mit Dieselmotor geschenkt. Das war allerdings ein Vorserienfahrzeug und dem Pförtner wurde als Gegenleistung für das großzügige Geschenk zur Auflage gemacht, in regelmäßigen Abständen Erfahrungsberichte zu verfassen. Der Tiguan hatte gerade einmal 12.000 Km auf dem Tacho, als der Motor streikte und der Pförtner in seinem Erfahrungsbericht schrieb, das sei ja ein ziemliches Kackauto. Bei der Untersuchung des Motors stellte sich dann heraus, dass wesentliche Bauteile total verrußt und verkokt waren. Das Fazit war klar, so kann man keine Autos an den Mann bringen. Also entschied man sich, das AGR-Ventil, dessen geöffneter Zustand im Fahrbetrieb als Ursache ausgemacht wurde, künftig geschlossen zu lassen, sobald der Motor betriebswarm war. Und das war dann die Geburt des Abgasskandals. Ohne den Pförtner hätte es zwar keinen Abgasskandal gegeben, jedoch viele VW-Kunden mit vorzeitigen Motorschäden.
Was ich mit dieser kleinen Geschichte, die auch aus der Feder von Baron Münchhausen stammen könnte, sagen will, dass der ganze Abgasskandal in seiner europäischen Variante eigentlich sehr kurios ist, weil die ganze Schummellei letztlich verbraucherfreundlich war, ohne dass sie auf den NOx-Ausstoß einen wesentlichen Einfluss hatte. Nicht ohne Grund haben viele Verbraucher - so auch ich - ja versucht, sich gegen das Update zu wehren, weil die Gefahr bestand, dass sich dadurch die Lebensdauer wesentlicher Motorbauteile verkürzt, eine Befürchtung, die sich dann ja auch als begründet herausgestellt hat. Der EuGH hat das ja auch durchaus gesehen, meinte jedoch, VW (und auch alle anderen Hersteller) hätte eine bessere (und natürlich auch teurere) Technologie verbauen müssen, was dann ja wegen der Mehrkosten auch nicht gerade im Interesse des Verbrauchers gewesen wäre.